03.12.2017

„Unvergütete schulische Ausbildungen führen in der Regel in klassische 'Frauenberufe'“

Dr. Katharina Greszczuk, Leiterin des Referats für Gleichstellungspolitik von Jungen und Männern im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wünscht sich, dass die materielle Ungleichheit zwischen dualer und nicht-dualer Ausbildung aufgehoben wird.

Foto: privat.

Welche Rolle spielt in Ihrem Tätigkeitsfeld die berufsbegleitende/ praxisintegrierte, vergütete Erzieher/innenausbildung?

Aus gleichstellungspolitischer Sicht ist für uns vor allem die Vergütung der Ausbildung am wichtigsten. Unvergütete schulische Ausbildungen führen in der Regel in klassische „Frauenberufe“ und über 80 Prozent d  erjenigen, die diese Ausbildungen machen, sind (junge) Frauen. Damit hat Ausbildungsvergütung eine Geschlechterdimension, denn umgekehrt sind Männer in Berufen, für die dual – und damit vergütet – ausgebildet wird, überrepräsentiert. Dies hat Einfluss auf die eigenständige Existenzsicherung von Frauen und auch auf ihre soziale Absicherung – Stichworte sind hier Arbeitslosigkeit und Rente. Neben der Vergütung sind uns erwachsenengerechte Ausbildungen wichtig. Sie helfen Männern und Frauen, sich einem sich verändernden Arbeitsmarkt ohne Dequalifizierung anzupassen. Auch wissen wir, dass unter Quereinsteigenden in diese Berufe überdurchschnittlich viele Männer sind, sodass erwachsenengerechte und vergütete Ausbildungen auch helfen, die Geschlechtersegregation des Arbeitsmarktes abzubauen.

Welche guten Ansätze aber auch Schwierigkeiten sehen Sie bei der aktuellen berufsbegleitenden/praxisintegrierten, vergüteten Erzieher/innenausbildung in den einzelnen Bundesländern?

Ich kann jetzt nicht die Situation in 16 Bundesländern skizzieren. Es ist aber festzuhalten, dass sich seit kurzem in einigen Bundesländern Entwicklungen zeigen, die in die eben skizzierte Richtung gehen, so z.B. in Bayern mit dem Projekt OptiPrax und der praxisintegrierten Ausbildung (PiA) in Baden-Württemberg. In Berlin, wo es schon lange einen berufsbegleitenden Weg in die frühkindliche Erziehung gibt, werden seit diesem Jahr den Kitas die Anleitungsstunden   dauerhaft finanziert. Das heißt, dass die Kita als Lern- und Ausbildungsort nicht nur verbal anerkannt wird.

Aus Sicht des Bundes ist es für uns erfreulich, dass unser Modellprogramm aber bestimmt auch andere Entwicklungen bewirkt hat, dass sich etwas tut. Natürlich hat das auch etwas mit der Gesamtsituation und dem großen Bedarf zu tun. Wenn der Druck steigt, dann wird die Kreativität größer und neue Lösungen entstehen.

Wie sehen aus Ihrer Sicht die wesentlichen Eckpunkte einer zukunftsfähigen, qualitätsvollen und professionellen berufsbegleitenden/praxisintegrierten, vergüteten Erzieher/innenausbildung aus?

Folgende Punkte sind wichtig:

  • eine angemessene Ausbildungsvergütung
  • Sicherung des Qualitätsstandards
  • Erwachsenengerechtigkeit (Anrechnung und Eingehen auf „mitgebrachte“ Kompetenzen, angemessene Unterrichtsformen und -stil)
  • Geschlechtersensibilität (im Team und in der Arbeit mit den Kindern)
  • sehr gute Kooperation zwischen den beiden Lernorten Schule und Praxis (inhaltlich wie organisatorisch)
  • entsprechende Ausstattung der beiden Lernorte (materiell und ideell)

Welche Bedeutung wird Ihrer Meinung nach die berufsbegleitende/praxisintegrierte, vergütete Erzieher/innenausbildung in zehn Jahren haben?

Hoffentlich wird es sie flächendeckend geben und sich auch auf immer mehr Ausbildungsgänge über den Beruf der frühkindlichen Erziehung hinaus ausbreiten. Damit sollte einerseits die materielle Ungleichheit zwischen dualer und nicht-dualer Ausbildung aufgehoben sein und zudem diese Berufe einem Quereinstieg – sei es, dass er aus persönlichen oder aus Arbeitsmarktgründen erfolgt – offenstehen.