18.09.2017

CDU

Interview mit Marcus Weinberg, Familienpolitischer Sprecher und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Foto: Peter van Heesen.

Welche Ziele verfolgen Sie hinsichtlich der Deckung des enormen Fachkräftebedarfs in den Tageseinrichtungen für Kinder, und welche konkreten Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung und -bindung würden Sie in Regierungsverantwortung nach der Bundestagswahl einleiten?

Die Zahl der pädagogischen Fachkräfte hat sich in den letzten zehn Jahren bereits deutlich erhöht. Laut dem Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2017 der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte ist die Zahl des pädagogischen und leitenden Personals zwischen 2006 und 2016 um 62 Prozent auf rund 571.000 angestiegen. Zählt man die 43.500 Erwerbstätigen in der Kindertagespflege dazu, erreicht die Zahl der pädagogisch Beschäftigten in der Kindertagesbetreuung inzwischen 615.000 Personen. Mit dem Ziel der Fachkräftegewinnung hat die CDU-geführte Bundesregierung bereits in den vergangenen Jahren eine Reihe von Bundesprogrammen und Projekten initiiert. In diesem Zusammenhang sind beispielsweise das Bundesprogramm „Lernort Praxis“ oder das „Bundesmodellprogramm „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“ zu nennen.

Durch den rasanten Ausbau der Kindertagesbetreuung und die geplanten Qualitätsverbesserungen werden aber dringend weitere Fachkräfte benötigt. Wir wollen deshalb mehr Erzieherinnen und Erzieher für Kindertageseinrichtungen gewinnen, ihre Arbeitsbedingungen dauerhaft verbessern und für mehr Anerkennung dieses Berufsfeldes sorgen. Dafür erforderlich sind durchlässige und anschlussfähige Ausbildungsformate und berufliche Entwicklungsperspektiven ebenso wie eine angemessene Vergütung.

Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Fachkräftegewinnung Erzieherinnen und Erzieher“ aus Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung, der Jugend- und Familienministerkonferenz, der Arbeits- und Sozialministerkonferenz und der Kultusministerkonferenz wird Maßnahmen zur Aufwertung und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen des Berufsfeldes erarbeiten.

Welche Bedeutung messen Sie den bisher unterrepräsentierten Personengruppen (u.a. Männer, Menschen mit sog. Migrationshintergrund) im Arbeitsfeld Kindertageseinrichtungen bei, und welche Möglichkeiten der Gewinnung sehen Sie gegenwärtig und in der Zukunft?

Die Anzahl der Männer, die den Erzieherberuf erlernen, ist in den letzten Jahren bereits leicht gestiegen. Im März 2016 waren in Deutschland laut Statistischem Bundesamt rund 30.500 Männer in Kindertagesstätten oder als Tagesväter beschäftigt. Das sind 5,2 Prozent. 2007 lag der Anteil noch bei 2,9 Prozent. Das ist zwar eine positive Entwicklung. Dennoch ist der Anteil immer noch sehr gering. Mit dem Bundesmodellprogramm „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“ fördern das Bundesfamilienministerium und der Europäische Sozialfonds Projekte, die speziell auf Berufswechslerinnen und Berufswechsler zugeschnitten sind. Ziel ist dabei auch, verstärkt Männer für den Erzieherberuf zu gewinnen. Wir halten ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Männern und Frauen in der Kindertagesbetreuung für wünschenswert und werden daher im Zuge unserer Anstrengungen zur Fachkräftegewinnung in der nächsten Legislaturperiode verstärkt versuchen, mehr männliche Fachkräfte zu gewinnen.

Mit 11 Prozent liegt der Anteil der Fachkräfte mit Migrationshintergrund in der Frühen Bildung sowohl unter dem in der Bevölkerung insgesamt (21 Prozent) als auch unter dem Anteil der Erwerbstätigen mit Migrationshintergrund auf dem Gesamtarbeitsmarkt (18 Prozent). Für eine gelingende Integration von Kindern mit Migrationshintergrund aber auch zum Abbau von Zugangsschwellen auf Seiten der zugewanderten Familien halten wir eine Steigerung der Beschäftigungsquote von Menschen mit Migrationshintergrund in Kindertagesstätten für erstrebenswert. Dies kann zum einen dadurch gelingen, dass der Erzieherberuf ganz allgemein attraktiver wird. Zum anderen sind aber auch besondere Anstrengungen erforderlich, um die Information und Beratung von zugewanderten Fachkräften und die Anerkennungsverfahren zu verbessern. Viele Zugewanderte bekommen trotz hoher Qualifikation und pädagogischer Berufspraxis keinen direkten Berufszugang und müssen sich einer neuen Ausbildung unterziehen. 

Wie stehen Sie zu vergüteten Modellen in der Ausbildung von Erzieher/innen? Welche Perspektiven und Wege der Unterstützung von vergüteten Ausbildungsmodellen sehen Sie auf Bundesebene, besonders auch im Kontext des Bildungsföderalismus?

Kindertagesstätten haben in den vergangenen Jahren vielfältige neue Aufgaben der frühkindlichen Förderung übernommen. Erzieherinnen und Erzieher kümmern sich nicht nur um die liebevolle Betreuung der Kinder, sondern fördern sie in ihrer sprachlichen, kognitiven und motorischen Entwicklung und stärken ihre sozialen Fähigkeiten. Die Anforderungen an das pädagogische Fachpersonal sind somit deutlich gestiegen. Eine fundierte Qualifizierung der Fachkräfte ist unerlässlich und eine wichtige Voraussetzung für gute Qualität in der Kindertagesbetreuung. Eine angemessene Vergütung schon in der Ausbildung ist sicherlich ein wesentlicher Faktor, um Fachkräfte für das Berufsfeld der Kindertagesbetreuung zu gewinnen. Auch diesbezüglich wird die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Fachkräftegewinnung Erzieherinnen und Erzieher“ in den kommen Jahren Vorschläge erarbeiten. Grundlage ihrer Arbeit bildet der Zwischenbericht „Frühe Bildung weiterentwickeln und finanziell sichern“ von Bund und Ländern. Darin heißt es: „Als Ergänzung der klassischen Fachschulausbildung sind Ausbildungsmodelle zu entwickeln, die den Fachschülerinnen und -schülern ein regelmäßiges Einkommen garantieren. Dies können vergütete praxisintegrierte Ausbildungen oder berufsbegleitende Ausbildungen sein. Dabei werden Berufstätigkeit bzw. Praxis und Ausbildung von Anfang an miteinander verknüpft. Die stetige Zunahme solcher Angebote und ihre hohe Inanspruchnahme ermöglichen die Gewinnung von zusätzlichen Auszubildenden und damit Fachkräften. Des Weiteren ermöglichen diese Angebote einen Quereinstieg in das Berufsfeld Kindertagesbetreuung“. Wir werden auch in der kommenden Legislaturperiode an dieser Zielsetzung festhalten.