03.11.2019

Mit Expertise und Herzblut

Petra Meißner, Ulrike Krieger und Melanie Seifert von der KinderWege gGmbH Lübeck betonen die Wichtigkeit einer dauerhaft finanzierten Koordinationsstelle, die weiterhin mit persönlichem Engagement Themen positioniert.

Foto: privat.

An welches Erlebnis mit der Koordinationsstelle denken Sie gerne zurück?

Das ist wirklich schwierig zu beantworten, da wir gerne an alle Veranstaltungen und Erlebnisse sowohl im Projekt „MEHR Männer in Kitas“ als auch im Modellprogramm „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“ zurückdenken. Wir hatten mit allen Mitarbeiter*innen der Koordinationsstelle immer sehr nette, unkomplizierte Begegnungen, die von gegenseitiger Wertschätzung und guter Atmosphäre geprägt waren. Die Kompetenzen und Talente von Sandra Schulte, Jannes Boekhoff und Jens Krabel haben sich perfekt ergänzt, sodass wir bei einem strukturierten Zeitmanagement überregionalen und fachlichen Input erhalten haben.

Eine besondere Anekdote gab es bei einem Arbeitstreffen in Lübeck mit den Modellprojekten und der Koordinationsstelle. Nachdem wir einen wunderbaren gemeinsamen Abend mit einer Stadtführung durch Lübecks Altstadt hatten, wo sogar der Vollmond wie gemalt zwischen den Kirchtürmen der Marienkirche auftauchte, sind alle in ihre Hotelunterkünfte gegangen. Nur Sandra Schulte und Jens Krabel hatten dann noch eine kleine Odyssee vor sich, nachdem sie feststellen mussten, dass sie versehentlich im falschen Hotel gelandet waren und an der Rezeption darauf hingewiesen wurden, dass ihr gebuchtes Hotel gegenüber wäre. Leider  war dieses bereits für die Nacht geschlossen…
Unser Angebot, das nächste Mal die Buchung zu übernehmen, steht immer noch.

Wie hat sich das Themenfeld in den letzen Jahren entwickelt?

Als ich, Petra Meißner, im Jahr 2011 vom Geschäftsführer KinderWege gGmbH, Joachim Karschny, gefragt wurde, ob ich auch für mehr Männer in Kitas wäre, konnte ich dies sofort positiv beantworten und hatte damit die Projektkoordination für das Modellprogramm „MEHR Männer in Kitas“ beim Lübecker Träger KinderWege gGmbH übernommen.

Die unterschiedlichen Akteure, aus dem sich das Team dann zusammensetzte, konnten mit ihrer heterogenen beruflichen und persönlichen Erfahrung maßgeblich zum Erfolg des Projektes beitragen. Ein Strauß von kreativen Ideen, von szenischen Darstellungen zum Thema Gender bis hin zu Väter- und Mütterabenden wurden in der Projektlaufzeit umgesetzt. Unsere große Motivation wurde aber zunächst ausgebremst. Der Männeranteil lag damals bei ca. 3-4% in den Einrichtungen und unser Selbstverständnis für mehr Männer im Kitabereich stieß auf große Vorbehalte, sowohl in den Teams als auch bei den Eltern.
Es gab drei wesentliche Vorurteile, mit denen wir konfrontiert wurden:

  • Ein Mann in einem Frauenteam bringt nur Unruhe und Ärger.
  • Thema Generalverdacht: Der Mann soll meine Tochter wickeln?
  • Wir haben doch bisher auch gut gearbeitet, Männer sollen es jetzt besser machen? Gefühlte Herabsetzung der eigenen Tätigkeit.

Wir haben in vielen Fortbildungen, Fachvorträgen, Diskussionsrunden und Workshops versucht, Haltungen zu diesen Vorbehalten zu verändern bzw. dazu angeregt, die eigene Haltung zu reflektieren. Sehr hilfreich war hier die Kooperation der Lübecker Träger im Bereich der Kindertagesbetreuung im Projekt „MEHR Männer in Kitas“. So wurden Schulen, Fachschulen und Einrichtungen flächendeckend mit diesem Thema vertraut gemacht. Tatsächlich stieg der Männeranteil während der Laufzeit des Projektes auf 10 % bei KinderWege gGmbH und aktuell haben wir, auch durch das Nachfolgemodell „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“, über 20 % männliche Fachkräfte in unseren Einrichtungen.

Ein einschneidendes Erlebnis war z.B. die Begleitung der „Sozialen Jungs“ bei ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit in den Kindertageseinrichtungen. Zum Teil kamen die Jungs aus sozialen Brennpunktschulen und erfuhren zum ersten Mal Anerkennung, Wertschätzung und Zuwendung. Sie wuchsen förmlich über sich hinaus und waren sehr stolz auf ihre Zertifikate, die dann auf Abschlussveranstaltungen offiziell übergeben wurden.

Ein besonders wichtiger Begleiter war in fachlichen inhaltlichen Belangen von Anfang an die Koordinationsstelle. Den teilnehmenden Projektträgern wurde ein Kompetenzteam an die Seite gestellt, das nicht nur seine besondere Expertise auf dem Gebiet der gendersensiblen Themen einbrachte, sondern sich durch viel Herzblut und persönliches Engagement auszeichnete. Die vielen von der Koordinationsstelle organisierten Austauschforen haben maßgeblich zur erfolgreichen Durchführung der Modellprogramme beigetragen, besonders die erarbeiteten Handreichungen sind bis heute Grundlagen für die oben genannten Themenfelder. Denn nach wie vor gilt es, Haltungen zum Einsatz von Männern in Kindertageseinrichtungen zu reflektieren, gerade das Thema Generalverdacht ist immer noch präsent.

Was braucht es künftig, um die Erfahrungen aus der Arbeit in den Modellprojekten voranzutreiben?

Es braucht weiterhin eine dauerhaft finanzierte Koordinationsstelle mit großer Expertise und einem großen Netzwerk, um Kontakte zu knüpfen, um Entwicklungen in einzelnen Bundesländern transparent weiterzugeben, um Ansprechpartnerin für (fachliche) Fragen und Anregungen zu sein, um geeignete Ansprechpartner*innen zu nennen und um in entsprechenden Fachforen aktiv zu sein sowie um Themen zu positionieren.

Wir brauchen:
Eine Koordinationsstelle, um die Arbeit in den Projekten immer wieder „in die Spur“ zu bringen und liebevoll anzustoßen.
Fachkundige Beratung des BMFSFJ, um geplante Vorhaben (mit Realitätsbezug) umzusetzen.
Beratungsstellen / Agenturen in den einzelnen Bundesländern, um die Rahmenbedingungen und Gelingensfaktoren für eine PiA insbesondere aus Sicht der Praxis vorzustellen und festzuschreiben.
Weiterhin vernehmbare Präsenz (ÖA), um Projektergebnisse im Feld zu verankern, Veränderungen anzumahnen und einzufordern.