24.01.2017

„Ich profitiere von Lehrerinnen und Lehrern, die schon als Erzieher/innen gearbeitet haben und durch einen Quereinstieg ihren Weg ins Lehramt gefunden haben.“

Paul Teubler berichtet über die erwachsenengerechte Ausbildung an seiner Schule. Selbstverständlich war sie nicht.

Foto: Milena Schlösser. Copyright: Koordinationsstelle 'Chance Quereinstieg/Männer in Kitas'.

Paul Teubler (36) ist Umweltingenieur und im zweiten Ausbildungsjahr zum Erzieher. Er arbeitet in Kiel für den Pädiko e.V. in der Kita Einstein und besucht das Berufsbildungszentrum (BBZ) in Mölln. Er war Teilnehmer des Barcamps in Berlin und berichtete dort über seine positiven Erfahrungen, die er in der Ausbildung macht.

Wie ist die Ausbildung in Ihrer Einrichtung/Schule organisiert?

Ich habe einen Arbeitsvertrag mit der Einrichtung über drei Tage á acht Stunden. An zwei Tagen die Woche gehe ich zur Schule, von 7.30 bis um 16 Uhr. Diese beiden Tage sind sehr vollgepackt.

Finden Sie, dass Sie von den Lehrern als Erwachsene gesehen werden, die bereits einen Beruf erlernt haben?

Das würde ich grundsätzlich schon so sehen. Gerade wir im ersten Jahrgang haben einen sehr respektvollen Umgang mit ganz vielen Lehrerinnen und Lehrern und ein sehr gutes Kommunikationsverhalten auf Augenhöhe, was wir uns wirklich auch erarbeitet haben. Denn natürlich gibt es einige von uns in der Klasse, die auch älter sind als so manch ein Lehrer oder eine Lehrerin und auch viel mehr Berufserfahrung haben als ein Großteil von ihnen. Das ist natürlich eine größere Herausforderung in der Gegenüberstellung, als wenn man beispielsweise mit 18 von der Schule kommt.

Sie haben sich das gute Verhältnis erarbeitet?

Manche Lehrer/innen waren schnell überfordert von uns. Und das hat damit zu tun, dass wir Persönlichkeiten sind, die nicht alles essen, was ihnen vorgesetzt wird. Am Anfang war es mit manchen Lehrern/innen ein wenig turbulent. Die konnten uns da noch nicht richtig einschätzen. Das hatte sicherlich damit zu tun, dass wir eine erwachsene Sprache haben, sehr reflektiert und von unserem Klassenverband her ein unglaublich gutes Team sind – sehr vielseitig, sehr unterschiedlich vom Alter her (zwischen Mitte 20 und Mitte 50) und von den Hintergründen. Dementsprechend sind wir auch sehr, sehr selbstbewusst und fordernd den Lehrern/innen gegenübergetreten. Wir wussten und wissen sehr gut, was wir wollen und das haben wir den Lehrern/innen auch immer klar signalisiert. Dann ist es natürlich die Frage, wie ein Mensch damit umgehen kann. Aber da wir alle kompromissbereit waren, haben wir relativ schnell eine gute Balance miteinander gefunden.

Wie ist die Ausbildung angelegt? Ist sie erwachsenengerecht?

Alles in allem ist es ist eine hohe Arbeitsbelastung, wir haben zwei Mal acht Stunden Unterricht in der Woche – mit An- und Abfahrt für mich zehn Stunden –, einen 24 Stunden Arbeitsvertrag, ein Privatleben und manche haben im Hintergrund noch Familie. Das Lernen ist eine große Herausforderung. Wir haben uns mit den Lehrern/innen auseinandergesetzt und haben unter dem Schlagwort erwachsenengerechte Ausbildung beispielsweise erkämpft, dass wir keine Hausaufgaben aufbekommen. Natürlich müssen wir lernen, natürlich müssen wir auch Hausarbeiten schreiben, die wir dann abliefern, aber darüber hinaus ist es ein freiwilliges Lesen und Nach- oder Vorarbeiten zu Hause.

Es liegt in unserer Eigenverantwortung, wie wir mit den Aufgaben in der Schule umgehen und da hat ja auch jeder seine Talente. Mein ganz persönlicher Stil ist: Ich bin immer sehr aufmerksam, dadurch nehme ich so viel mit, dass ich zu Hause nichts mehr tun muss. Andere können dem Unterricht nicht so folgen und müssen zu Hause mehr tun. Es ist unsere eigene Verantwortung, wie wir den Stoff, den wir in den Klausuren liefern müssen, in unsere Köpfe reinkriegen. Das nenne ich erwachsenengerecht. Und genauso ist es zum Teil in der Ausgestaltung von manchen Unterrichtsinhalten, in Wahlpflichtfächern sowieso, wo es um praktische Themen wir Musik, Sport, Kunst und aktuell naturwissenschaftliche Experimente geht. Hier konnten wir zum Beispiel die Inhalte relativ frei selbst bestimmen und in welcher Art und Weise wir sie vermitteln wollten, ob im Vortragsstil oder einer Präsentation. Die Lehrer/innen sind da auf der einen Seite sehr kompromissbereit, auf der anderen Seite sind wir sehr engagiert. Wir liefern, was wir ausmachen, sodass ein Großteil der Lehrer/innen damit auch ganz gut klarkommen kann. 

Was macht Ihre Schule so besonders?

Auf jeden Fall die Vielseitigkeit der Ausbildung. Ich bin da sehr zufrieden. Ich profitiere sehr von der Vielfalt der Lehrer/innen, die fast alle als Erzieher/innen gestartet sind und durch einen Quereinstieg ihren Weg ins Lehramt gefunden haben. Wir finden deswegen flächendeckend eine große Authentizität, Glaubwürdigkeit und einen großen Erfahrungsschatz. Der Unterricht ist dadurch sehr praxisbezogen. Die Vielseitigkeit, die das Lehrpersonal mitbringt, ist unglaublich spannend und ich kann ganz viel davon abgucken. Zum anderen sind viele unserer Lehrer/innen sehr politisch. Sie setzen sich sehr für uns und unseren Ausbildungsweg ein. Sie geben uns auch Rückendeckung gegenüber den Einrichtungen. Sie pflegen Kontakte zu den Kitas und kümmern sich darum, dass wir in der Praxis entlastet werden, damit wir zu bestimmten Zeiten, mehr Kapazitäten haben, für die Schule zu lernen und unseren Schwerpunkt dort setzen können. Denn es ist wichtig, gute Noten zu bekommen.

Können Sie trotz Ausbildung ein erwachsenengerechtes Leben mit allen Verpflichtungen führen?

Man muss sehr flexibel sein mit der wenigen Zeit, die am Ende des Tages übrig bleibt. Ich muss gucken, wo ich die Prioritäten setze und wo ich Grenzen ziehe. Wenn ich zu Hause bin, will ich abschalten und auftanken, auch um mich vor potenzieller Überforderung zu schützen. Ich lebe in einer Fernbeziehung, da geht das alles. Kommilitonen/innen mit Familie haben es da schwerer.

Sie haben ja jetzt Bergfest und starten in die zweite Hälfte Ihrer Ausbildung. Was wünschen Sie sich für den Endspurt?

Ich will so viel wie möglich Praxiserfahrung mitnehmen, will noch mehr Einblicke gewinnen und mit neuen Ideen meinen Erziehungsstil weiterentwickeln. Ich möchte routinierter werden, mich spezialisieren sowie lernen, stressfrei und harmonisch meine Projekte zu verfolgen. Wenn ich Dinge gut über die Bühne bringe, bin ich entspannt und das überträgt sich auf die Kinder. Das ist mein Ziel.