03.11.2019

Wir haben viel gelacht miteinander

Norbert Bender, Koordinator und Geschäftsstellenleiter der Bundesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen e.V. (BAGE) in Berlin, findet, es braucht jemanden, der sie Fäden in der Hand hat.

Foto: privat.

An welches Erlebnis mit der Koordinationsstelle „Chance Quereinstieg / Männer in Kitas“ denken Sie gerne zurück?

Ich denke gerne an das ESF-Programm „MEHR Männer in Kitas“ zurück, das von 2011 bis 2013 lief. Da waren wir als Bundesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen e.V mit einem großen Projekt von 1,2 Millionen Euro beteiligt. Ich war Koordinator dieses Projekts und hatte dadurch sehr engen Kontakt mit der Koordinationsstelle. Ich fühlte mich gut aufgehoben. Wenn wir Probleme hatten, konnten wir immer gut mit den Mitarbeiter/innen der Koordinationsstelle reden. Ich fühlte mich sehr unterstützt.

Ich denke auch gerne an die Treffen mit den anderen Modellprojekten zurück. Zum Beispiel an das Treffen in Erfurt, da gab es einen schönen Einschub vom Impro-Theater aus Erfurt. Es gab bei allen Treffen schöne Einlagen, die ein bisschen schräg waren und andere Perspektiven aufmachten. Die haben mir immer sehr gut gefallen. Auch die internationale Tagung in Berlin fand ich sehr spannend. An dem gemeinsamen Abend habe ich mich mit jemandem aus Dänemark unterhalten und habe dabei erfahren, dass dort ca. 40 Prozent der Erzieher/innen nicht als Fachkraft ausgebildet sind. Das war eines von vielen hochspannenden Aha-Erlebnissen, die ich hatte.

Und grundsätzlich haben wir auch viel gelacht miteinander – die Zusammenarbeit war schon sehr freudbetont.

Wir haben in den letzten Jahren in Kontakt gestanden, um die Themen „Männer in Kitas“, „Vergütete Erzieher/innenausbildung“, „Quereinstieg in den Erzieher/innenberuf“ zu bewegen. Wie haben sich die Themenfelder aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren entwickelt?

Ich finde alle drei Themen haben sich relativ positiv entwickelt. Es ist ja eigentlich den guten Ergebnissen aus dem ESF-Projekt „MEHR Männer in Kitas“ geschuldet, dass auch Themen wie Quereinstieg und die vergütete Erzieher/innen-Ausbildung endlich bundesweit aufs Tablett kamen. Und da hat sich in den letzten Jahren total viel entwickelt. Eigentlich sind jetzt alle Bundesländer auf dem Weg, den Quereinstieg und/oder die Vergütung der Ausbildung einzuführen – oder sie haben sie schon eingeführt.

Das Umdenken ist sicherlich auch dem Fachkräftemangel geschuldet, das muss man ja mal ehrlich sagen, aber es ist eben auch Teil der Arbeit der Koordinationsstelle, die diese Themen nach dem großen Projekt „Mehr Männer in Kitas“ weiterhin bearbeitet hat. Da haben sie sehr viel getan.

Es gibt zwar auch Stimmen, die sagen, gerade bei „Männer in Kitas“ habe sich nichts bewegt. Wir hätten jetzt zwar fast sieben Prozent (Stand März 2019) und das sei immer noch total wenig. Aber ich finde schon, das sich deutlich was bewegt. Wenn man sich die Zahlen der Bundesstatistik genauer anguckt, dann sieht man, dass z.B. die 25- bis 35-jährigen Männer im Erzieherberuf mit 10,2% Anteil dreimal so viel Anteil haben wie die 45- bis 55-jährigen Männer mit 3,4%. Das findet man in allen Bundesländern und das finde ich perspektivisch sehr ermutigend. Mein Eindruck ist, dass es langsam, aber kontinuierlich vorwärts geht. Mit dem ESF-Projekt haben wir den Anstoß gegeben und die Koordinationsstelle hat dieses Thema immer wieder aktuell bearbeitet.

Ich finde es sehr schade, dass es diese Arbeit in Zukunft nicht mehr geben wird. Es ist eine unsinnige Vergeudung von Kompetenzen und von Expertise, die hier in zehn Jahren gewachsen sind, und die ich sehr schätze. Wir brauchen solche Expertise gerade im Angesicht des Fachkräftemangels. Wie hoch der Bedarf an Unterstützung und Information ist, zeigt ja auch die große und wachsende Nachfrage beim Beratungstelefon für Quereinsteiger/innen.

Das Projekt „MEHR Männer in Kitas“ hat auch bei BAGE viel angestoßen. Ich komme ja aus dem Bereich der Elterninitiativen und wir hatten schon immer einen hohen Anteil an Männern in Kitas, fast doppelt so hoch wie in anderen Einrichtungen. Das Programm war für uns jedoch der Anlass, uns nochmal intensiver mit dem Thema Kinderschutz auseinanderzusetzen – auch durch das Thema Generalverdacht von Männern.

Wir haben dann eine Broschüre erstellt zur Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes. In ihr geht es auch um das Thema Kindeswohlgefährdung und wie die Einrichtungen damit umgehen sollten. Denn der Umgang mit dem Thema ist eine Aufgabe der gesamten Einrichtung. Das Thema Generalverdacht muss man grundsätzlich offensiv bearbeiten. Das wurde uns durch das ESF-Programm nochmal deutlicher.

Was braucht es künftig für die o.g. Themen?

Erstmal braucht es die Bereitschaft der Bundesländer, kreativ und offen damit umzugehen. Und sich die guten Erfahrungen, die andere schon gemacht haben, vorurteilsfrei anzugucken. Es gibt zum Beispiel noch Vorurteile gegenüber dem Quereinstieg und Stimmen, die sagen, wir bräuchten eine akademische Ausbildung oder der Quereinstieg sei eine Dequalifizierung der Erzieher/innen-Ausbildung.

Das sehe ich nicht so. Es kommt drauf an, wie man die Ausbildung inhaltlich ausgestaltet und wie man die Leute in der Ausbildung begleitet. Oft sind diese Menschen sehr motiviert. Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass Männer oft erst später in den Beruf gehen, wenn sie schon 25 oder 30 sind. Dafür ist die Option Quereinstieg sehr wichtig, weil sie die Möglichkeit gibt, auch noch später in den Beruf zu wechseln. Es braucht eine Stelle, die diese Themen pusht. Und die fällt jetzt gerade weg.

Es wäre gut, weiterhin so eine Stelle zu haben, die Anlaufstelle ist, Themen wie Quereinstieg und Vergütung bearbeitet, Tagungen veranstaltet und auch Ansprechpartnerin für die Länderministerien ist.

Eindrücklich war für mich eine der letzten Tagungen, die die Koordinationsstelle in der Kalkscheune ausgerichtet hatte – „Qualität in Gefahr? Vergütete Ausbildungsmodelle für Erzieher/innen“. Hier gab es sehr heftige Diskussionen über Quereinstieg oder über verkürzte Ausbildungen zum Beispiel in den ostdeutschen Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, die zur Kitaerzieher/in ausbilden. Diese Diskussionen müssen geführt werden und dazu könnte eine Koordinationsstelle, die die Fäden in der Hand hat, sehr dienlich sein.

Ich wünsche mir, dass es das in Zukunft auch weiterhin gibt, weil die Unterschiede in den Bundesländern doch relativ beträchtlich sind, und Entwicklungen Zeit und Begleitung brauchen. Wir brauchen den Austausch, denn die Ausbildungen zu Kinderpfleger/innen oder zu Sozialassistenten/innen können nicht das Modell der Zukunft sein.