23.01.2018

Vergütete Erzieher/innenausbildung in Zeiten des Fachkräftemangels – Quo vadis?

Die Fachveranstaltung „Vergütete Ausbildungsformen für Erzieher/innen in Zeiten des Fachkräftemangels“ zog am 18. Januar 2018 ein vielfältiges Publikum an. Es setzte sich zusammen aus Fachpolitiker/innen der Bundes- und der Landesebene, der kommunalen Ebene, aus Verantwortlichen von Fachschulen und Trägern von Kindertageseinrichtungen sowie von Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und Vertreter/innen der Bundesagentur für Arbeit.

Foto: Milena Schlösser. Copyright: Koordinationsstelle 'Chance Quereinstieg/Männer in Kitas'.

Rund 120 Expertinnen und Experten waren der Einladung der Koordinationsstelle: „Chance Quereinstieg/Männer in Kitas“ ins Berliner Haus der Wirtschaft gefolgt, um über vergütete, berufsbegleitende oder praxisintegrierte Ausbildungsformen für Erzieher/innen und ihre Bedeutung für die Fachkräftegewinnung zu diskutieren.

Die Veranstaltung eröffneten Christiane Gebhardt, Praxismentorin des Ev. Kirchenkreisverband für Kindertageseinrichtungen Berlin Mitte-Nord und Ulla Steuber, Fachschulkoordinatorin im ESF-Programm „Quereinstieg Männer und Frauen in Kitas“, Pro Inklusio Fachschule Berlin

Ein exzellentes Modell

Christiane Gebhardt schlug die Brücke von der anfänglichen Freude über den frischen Wind, den Quereinsteigende mit in die Praxis brachten, bis hin zu den Schwierigkeiten, die Kitas heute haben, wenn Lernende zu 100 Prozent auf den Personalschlüssel angerechnet werden, wie etwa in Berlin üblich. Ein Kritikpunkt, der sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung zog. Ulla Steuber sprach u.a. das hohe Pensum an, das die Lernenden in Theorie und Praxis zu absolvieren hätten mit von bis zu 50/60 Wochenstunden für Schul-, Kita- und Vorbereitungszeiten. Sie regte an, die Ausbildung optional auf 7 Semester auszuweiten.

Fazit der ersten Runde: „Die berufsbegleitende Ausbildung ist ein exzellentes Modell, nur die Bedingungen müssten besser werden, um auch exzellent ausbilden zu können“.

Vergütung auf sichere Füße stellen

Es folgte der Vortrag „Die vergütete Erzieher/innenausbildung – Eine sozioökonomische und systemische Verortung“ von Dr. Dieter Dohmen vom Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS). Er prognostizierte einen weiteren Anstieg des Fachkräftebedarfs. Auf der einen Seite würde die Zahl der Kinder steigen, auf der anderen Seite gingen 40-50 % der Fachkräfte in den kommenden 15 Jahren in Rente. „600 000 zusätzliche Fachkräfte werden allein bis 2025 bundesweit gebraucht“, sagte er und verwies dabei auf neuere Berechnungen von Rauschenbach et al.. Er warf die Frage nach der Finanzierbarkeit der Ausbildung auf. „Vergütete Ausbildung kann nur attraktiv sein, wenn die Finanzierungsbasis verbessert wird.“ Eine Möglichkeit der weitgehenden Sicherung sei die 100-prozentige Anrechnung der Fachschüler/innen auf den Personalschlüssel. Die anschließende Diskussion zeigte, es besteht der Wunsch nach einem Finanzierungsmodell, das die vergütete Ausbildung auf sichere Füße stellt und gleichzeitig nicht die pädagogische Strukturqualität in den Kitas gefährdet.

Verschiedene Perspektiven zusammen bringen

Fachgespräche über die Bedeutung vergüteter Ausbildungsmodelle für die Fachkräftegewinnung aus professions- und gleichstellungspolitischer Perspektive rundeten die Fachtagung ab.

Auf dem Podium diskutierten:

  • Michael Baumeister, Vorstand Bundesarbeitsgemeinschaft öffentlicher und freier Ausbildungsstätten für Erzieherinnen und Erzieher – BöfAE
  • Kirstin Fussan, Leiterin, Abteilung III Jugend und Familie, Landesjugendamt in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft des Landes Berlin.
  • Christiane Gebhardt, Ev. Kirchenkreisverband für Kindertageseinrichtungen Berlin Mitte-Nord
  • Björn Köhler, Vorstand, Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW)
  • Jörg Freese, Beigeordneter, Deutscher Landkreistag
  • Frank Jansen, Geschäftsführer, Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) – Bundesverband e.V.
  • Pia Schnadt, Leiterin, Personalentwicklung und Fortbildung, Fröbel Bildung und Erziehung gGmbH
  • Christian Hoenisch vom Referat 415 für Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Christian Hoenisch war kurzfristig für Katharina Greszczuk, Leiterin, Referat für Gleichstellungspolitik von Jungen und Männern im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eingesprungen, die aufgrund des angekündigten Unwetters nicht anreisen konnte.

Die sich anschließende Diskussion des Fachpublikums wurde kontrovers geführt.

Im Mittelpunkt der Diskussion standen u.a. folgende Punkte:

  • Anrechnung der Fachschüler/innen auf den Personalschlüssel
  • Finanzierbarkeit der vergüteten Ausbildung
  • Wunsch, einen Weg für eine Vergütung ohne Anrechnung auf den Personalschlüssel zu finden
  • Integration von Fachschüler/innen bzw. Studierenden der neuen Personengruppen (Männer, Menschen mit Migrationshintergrund, fachfemde Quereinsteiger/innen) in den Kita-Alltag
  • Qualifizierung und die Rolle der Praxisanleitung
  • Alternative: Berufsweg als duale Ausbildung?
  • Sorge um Qualitätsverlust der Ausbildung
  • Bisheriger Ausbau der Ausbildung ist als Erfolg zu werten
  • Gefährdet die vergütete, berufsbegleitende Ausbildung den Anspruch der generalistischen Ausbildung mit Praktika in einem zweiten sozialpädagogischen Tätigkeitsfeld?
  • neues Verständnis der Kita auch als Ausbildungsort für Erwachsene

Erstes Fazit: Der Einstieg in die vergüteten Ausbildungsformen ist der richtige Weg, um neue Personenkreise für den Beruf Erzieher/in zu gewinnen, darüber waren sich die verschiedenen Akteure einig. Vielen Teilnehmenden war es zudem wichtig, die Qualität der Ausbildung auf Fachschulniveau (DQR Niveau 6) zu halten, verbunden mit dem Wunsch nach einer bundesweit einheitliche(re)n Ausbildung.

Im Gespräch bleiben

Eine Dokumentation der Fachtagung folgt. Die Diskussion soll im November 2018 auf einer weiteren Fachtagung sowie einem Barcamp am 14. und 15. November dieses Jahres in Berlin fortgeführt werden.