03.11.2019

SAGE-Berufe müssen aufgewertet werden!

Ralf-Bruno Zimmermann, Präsident der KHSB, findet, es sei an der Zeit, für bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung in den SAGE-Berufen zu kämpfen. Gewerkschaften, Berufs- und Fachverbände sowie Hochschulen müssten Verbesserungen einfordern.

Prof. Dr. Ralf-Bruno Zimmermann, Präsident Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin | Foto: Carolin Tchiesche-Zimmermann

Darf ich mich vorstellen?

Seit 1998 ist Ralf-Bruno Zimmermann als Professor für Sozialpsychiatrie an der Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB) tätig und hat sich in Lehre, Forschung und Transfer vor allem mit den Versorgungslandschaften der Sozialpsychiatrie (Enthospitalisierung, Krisenintervention, Partizipation), der Pflege und Altenhilfe beschäftigt. Seit 2013 ist Zimmermann Präsident der KHSB. Vorher arbeitete der Facharzt für Psychiatrie in verschiedenen stationären und ambulanten Behandlungssettings.

An welches Erlebnis mit der Koordinationsstelle „Chance Quereinstieg / Männer in Kitas“ denken Sie gerne zurück?

Anregend waren für mich viele Begegnungen und dabei fanden kleine und große Momente statt. Wenn es etwa wieder ganz schnell gehen musste mit einer Unterschrift, weil ein kleines Zeitfenster eine finanzielle Förderung möglich zu machen schien. Als Gast beim Barcamp konnte ich eine für mich neue Veranstaltungsform kennen- und schätzen lernen. Und genau hier fand auch eine komische Situation statt, denn während meines Grußwortes lachten auf einmal (fast) alle Anwesenden und ich weiß bis heute nicht, warum. Ich muss einen Fehler gemacht haben oder unbewusst einen Lacher in meinen Vortrag eingebaut haben. Das hatte etwas alptraumartiges, war aber schnell wieder vorbei. Schön war auch die Überraschung im Gesicht eines Mitarbeiters, als ich ihm im Rahmen einer Sitzung mit einem Blumenstrauß zum 10-jährigen Dienstjubiläum gratulierte und er weder wusste, dass es dieses Jubiläum gab, noch, dass an unserer Hochschule zu diesem Anlass ein Blumenstrauß überreicht wird.

Ihre Hochschule war zehn Jahre Träger der Koordinationsstelle „Chance Quereinstieg / Männer in Kitas“. Welche Bedeutung hatte dieses Projekt für Ihre Hochschule?

Rückblickend kann ich sagen, dass die Koordinationsstelle die KHSB verändert hat: Ein solch großes und über so viele Jahre erfolgreiches Drittmittelprojekt hatte an vielen Stellen Einfluss auf die Weiterentwicklung der Hochschule. Prägnant ist natürlich die Gründung des „Instituts für Gender und Diversity in der sozialen PraxisForschung“, das ohne MiKa sicher nicht in dieser Form entstanden wäre.

Inhaltlich haben die Themen Genderforschung und Geschlechtergerechtigkeit in Lehre, Forschung und Weiterbildung durch die Arbeit von MiKa (Männer in Kitas) zusätzlichen Schub bekommen können. Strukturell konnten wir durch dieses und andere große Drittmittelprojekte den Bereich Forschung und Transfer an der KHSB enorm stärken und administrativ deutlich professionalisieren. National und zuletzt auch international (Luxemburg) hat MiKa dazu beigetragen, dass die KHSB überregional mit diesem Profil bekannter wurde. Die Zusammenarbeit mit dem Bundesfamilienministerium war über die gesamte Zeit von hoher fachlicher Kompetenz und Verlässlichkeit geprägt.

Für mich ist aber auch dies von großer Bedeutung: Die Mitarbeitenden der Koordinationsstelle haben der KHSB wohlgetan durch ihre inhaltliche Arbeit. Sie haben über die gesamte Laufzeit das Campusleben mitgeprägt. Wir sind ihnen und Projektleiter Professor Stephan Höyng zu großem Dank verpflichtet!

Die Koordinationsstelle hat sich intensiv mit der Aufwertung des Erzieher/innenberufs beschäftigt. Was braucht es aus Sicht der Hochschule für die Aufwertung sozialer Berufe insgesamt? Was kann Ihre Hochschule künftig dazu beitragen?

Der ausgeprägte Fachkräftemangel in den sogenannten SAGE-Fächern bzw. -Berufen (Soziale Arbeit, Gesundheit, Erziehung und Bildung) führt zu einer größeren politischen und öffentlichen Beachtung und damit zu besseren Chancen, die Berufe und (akademischen) Ausbildungen zu ihnen aufzuwerten. Die letzten Tarifsteigerungen können sich zum Beispiel sehen lassen. Aus aktuellen Studien wissen wir, dass es ein besonderes Spannungsverhältnis für die sozialen Professionen gibt: Eine hohe intrinsische Motivation für die eigene Tätigkeit, der auch ein hoher gesellschaftlicher Wert beigemessen wird, wird kontrastiert durch schlechte und unsichere Arbeitsbedingungen bei relativ geringer Bezahlung.

Nun sind die Zeiten günstig, für bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung zu kämpfen. Dabei spielen Gewerkschaften, Berufs- und Fachverbände sowie Hochschulen eine bedeutende Rolle, die in ihren jeweiligen Kontexten und Verantwortungsbereichen Verbesserungen fordern müssen. Aber auch die Studierenden, Auszubildenden und die Praktiker*innen selbst sollten sich besser organisieren und einmischen. Denn im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen (Pflege etwa) haben Sozialarbeiter*innen einen vergleichsweise geringen Organisationsgrad in den genannten Verbänden oder in Gewerkschaften.

Für die Hochschulen für angewandte Wissenschaften wird zudem eine Aufgabe darin bestehen, die Mindestqualität primär qualifizierender Bachelorstudiengänge gegen Tendenzen der Abqualifizierung zu schützen. Die KHSB wird weiter eine aktive Rolle bei der Aufwertung der SAGE-Berufe spielen und in diesem Zusammenhang kann der unlängst gegründete SAGE-Verbund der drei Berliner Hochschulen (Alice-Salomon-Hochschule, Evangelische und Katholische Hochschule) sicher eine Stärkung in der fachlichen und berufspolitischen Arbeit bringen. Zum Beispiel die Akademisierung oder SAGE-Projekte an der Hochschule.