24.01.2017

Beliebter denn je

Die Koordinationsstelle hatte zwischen 2011 und 2016 mehr als 8000 Kontakte zu Menschen, die sich für einen Quereinstieg in den Erzieher/innenberuf interessieren. Zentraler Bestandteil aller Beratungsgespräche ist die Frage, ob sie sich den Quereinstieg finanziell leisten können und welche Möglichkeiten der Finanzierung für Interessierte infrage kommen. Ob sie den Quereinstieg wagen, so stellt es sich in den Beratungsgesprächen dar, wird stärker von der Finanzierbarkeit des Lebensunterhaltes beeinflusst als beispielsweise von der Dauer der Ausbildung.

Foto: Milena Schlösser. Copyright: Koordinationsstelle 'Chance Quereinstieg/Männer in Kitas'.

Eine neue interaktive Karte auf der Website der Koordinationsstelle zeigt, aus welchen Bundesländern und Städten die Menschen, die bis Herbst 2016 Kontakt zur Koordinationsstelle aufgenommen haben, kommen.

www.chance-quereinstieg.de/nc/quereinstiegsmoeglichkeiten/woher-kommen-die-quereinstiegsinteressierten/ | Interaktive Karte: Woher kommen die Quereinstiegsinteressierten? Aufgeschlüsselt nach Bundesländern und Städten.

www.chance-quereinstieg.de/quereinstiegsmoeglichkeiten/mein-weg-zum-quereinsteig-film/ | Film: Ein Quereinsteiger über seine Erfahrungen mit dem Beratungstelefon der Koordinationsstelle.

Seit April 2014 haben sich 1742 Menschen, die sich für den Erzieher/innenberuf interessieren, an das Beratungstelefon der Koordinationsstelle gewandt, um sich über den Quereinstieg in den Beruf zu informieren. Knapp 6500 Interessierte haben sich seit 2011 in die Kontaktdatenbank der Koordinationsstelle aufnehmen lassen, um über aktuelle Entwicklungen informiert zu werden. Die Koordinationsstelle zählt mittlerweile mehr als 8000 Kontakte. Wir gehen davon aus, dass es einige Doppelungen zwischen denen gibt, die das telefonische Beratungstelefon nutzen und denen, die sich in die Kontaktdatenbank eingetragen haben. Die Zahl der Doppelungen lässt sich jedoch nicht nachvollziehen.

Beratungstelefon – Wer ruft an?

„Der Altersdurchschnitt derjenigen, die sich telefonisch oder per E-Mail individuell haben beraten lassen, lag bei den Männern mit 37 Jahren etwas niedriger als bei den Frauen mit 39 Jahren“, beschreibt Tim Frauendorf, Mitarbeiter der Koordinationsstelle, die am Quereinstieg Interessierten.

Das Geschlechterverhältnis änderte sich von 2014 bis Ende 2016 deutlich. In 2014 waren etwa 2/3 der Anrufenden männlich. Im Jahr 2016 hingegen waren etwa 2/3 der Anrufenden weiblich. „Wir sehen hier einen direkten Zusammenhang darin, dass bis Ende 2013 viele Männer durch das Bundesmodellprogramm ‚MEHR Männer in Kitas‘ erreicht wurden. Mit dem Ende der Projekte ist auch die öffentliche Berichterstattung für mehr männliche Fachkräfte in Kindertagesstätten deutlich zurückgegangen“, nennt Stephan Höyng, Leiter der Koordinationsstelle, einen möglichen Grund für die Umkehrung des Geschlechterverhältnisses.

Mehr als ein Drittel der Anrufer/innen gab an, über eine Fach- oder Hochschulzugangsberechtigung zu verfügen, jede/r fünfte Anrufer/in nannte als höchsten Berufsabschluss ein abgeschlossenes Studium, jede/r Zehnte einen (qualifizierten) Hauptschulabschluss. Nur jede/r Fünfzehnte hatte keinen Berufsabschluss.

„Entgegen der häufig geäußerten Vermutung, ein Großteil der Quereinstiegsinteressierten sei arbeitsuchend gemeldet, rufen bei uns eher diejenigen an, die sich in einem Anstellungsverhältnis befinden oder selbstständig sind und die sich beruflich umorientieren möchten“, so Tim Frauendorf.
Sieben von zehn Personen gaben an, sich zum Zeitpunkt des Anrufes in einem Angestelltenverhältnis zu befinden. Nur eine/r von fünf Anrufenden bezog zum Zeitpunkt des Anrufes Arbeitslosengeld I oder II.

Jede/r Zweite sagte, einschlägige Erfahrungen in sozialpädagogischen Einrichtungen zu haben, beispielsweise durch mehrmonatige Praktika, Freiwilligendienste oder ehrenamtliche Tätigkeiten.

Seit August 2014 wollte jede/r zweite Anrufende Informationen über das ESF-Bundesmodellprogramm „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“ haben. Die Anrufe kamen aus allen 16 Bundesländern. Die meisten, in absteigender Anzahl, aus Nordrhein-Westfalen, Berlin, Niedersachsen und Hessen. Vereinzelt riefen Personen aus dem EU-Ausland an.

In welchem Umfang finden Beratungen statt?

Das Beratungstelefon ist regelmäßig an drei Tagen in der Woche besetzt. Um für Berufstätige erreichbar zu sein, sind die Sprechzeiten montags und mittwochs jeweils von 15.30 bis 19 Uhr. Freitags finden die Beratungen zwischen 10 und 13 Uhr statt, damit weitere Zielgruppen Kontakt aufnehmen können. Dazu gehören beispielsweise Mitarbeiter/innen von Behörden wie die Agentur für Arbeit bzw. die Jobcenter, andere berufsvermittelnde Anbieter, (ehrenamtliche) Helfer/innen Geflüchteter oder Kitaträger, die berufsbegleitende Auszubildende bei sich aufnehmen möchten.

Das Beratungstelefon ist mit einer halben Stelle besetzt. Pro Beratungstag werden im Schnitt fünf bis sechs Gespräche geführt. Die Gespräche dauern durchschnittlich etwa 20 Minuten. Zusätzlich zu den Sprechzeiten finden Beratungen per E-Mail auch außerhalb der Sprechzeiten statt.

Individuelle Beratung

Im Rahmen der Beratungen erhalten Ratsuchende aktuelle und weiterführende Informationen zu allen Fragen, die individuell auftreten können, wenn ein Quereinstieg in den Erzieher/innenberuf erwogen wird oder bereits begonnen hat. Die Anrufer/innen haben Fragen zu Zulassungsvoraussetzungen und Ausbildungsmodellen sowie zu Finanzierungsmöglichkeiten.

Sich orientieren – aber wo?

Die größte Gruppe der Ratsuchenden befindet sich zum Zeitpunkt des Gesprächs in der Orientierungsphase. Sie interessiert sich dafür, ob und wie ein Quereinstieg in ihrem Bundesland realisierbar ist. Die meisten wissen nicht, ob sie die Zulassungsvoraussetzungen zum Ausbildungsgang erfüllen. „Als Fachfremde verstehen sie die Informationen, die sie meist der Website einer Fachschule entnommen haben, nicht genau. Ausnahmen für den Einzelfall sind in aller Regel völlig unbekannt“, so Tim Frauendorf. Nur wenige Anrufer/innen standen im Vorfeld bereits mit einer Berufsfachschule oder Fachschule/-akademie in direktem Kontakt. Regelmäßig berichten sie, dass ein telefonisches Gespräch mit den Fachschulen nicht zielführend war und sie weitere Informationen benötigen. Allgemein ist den Anrufer/innen häufig nicht bekannt, dass die Ausbildungsstätten grundsätzlich zur Beratung beauftragt sind.

Zulassungsvoraussetzungen

Interessierte wissen in den meisten Fällen nicht, welche unterschiedlichen Ausbildungsmodelle es in ihrem Bundesland gibt. Im Beratungsgespräch hören sie häufig erstmals davon, dass sich die Ausbildungsbedingungen zwischen den Bundesländern zum Teil deutlich voneinander unterscheiden, vor allem hinsichtlich der Zulassungsvoraussetzungen, der Ausbildungsmodelle und der Finanzierungsmöglichkeiten. „Teilweise lohnt es sich deswegen, auch einen Blick auf andere, in der Regel angrenzende Bundesländer zu richten“, sagt Tim Frauendorf, der sich in den vergangen Jahren intensiv mit den Ausbildungsmöglichkeiten in den verschiedenen Regionen beschäftigt hat und über detailliertes Wissen aus den Beratungsgesprächen verfügt. Von den Fachschulen/-akademien ist eine umfassende Beratung zu allen Möglichkeiten, evtl. sogar zu denen in angrenzenden Bundesländern, nicht zu erwarten. Nicht alle Fachschulen/-akademien bieten alle im Bundesland möglichen Ausbildungsmodelle an. „Zudem unterscheiden sich nicht selten sogar einzelne Fachschulen hinsichtlich der Zulassungsbedingungen und Rhythmisierung des Unterrichts deutlich voneinander“, beschreibt Tim Frauendorf die komplexe Situation.

Vergütung

Die Auslotung von Möglichkeiten zur Finanzierung der Ausbildung ist ein zentraler Bestandteil aller Gespräche. In aller Regel wissen die Anrufer/innen nicht, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe sie mit einer Vergütung bei einer berufsbegleitenden Ausbildung rechnen können. Sie wissen meistens nicht, dass Träger Gehälter in unterschiedlicher Höhe zahlen. Zudem verfügen sie oft nur über lückenhafte Informationen bezüglich potenziell ergänzender Sozialleistungen wie Wohngeld bzw. Mietzuschuss oder Kinderzuschlag.

In der Beratung hat sich gezeigt, dass sofern keine Aussicht auf einen Bildungsgutschein zur (Teil-)Finanzierung einer vollzeitschulischen Ausbildung besteht, für Interessent/innen am Quereinstieg in der Regel nur eine vergütete Ausbildung in Frage kommt. Eine Ausnahme bilden hier alleinerziehende Mütter.

Alleinerziehende Mütter

Immer wieder berichten Anruferinnen, oftmals alleinerziehende, davon, dass aufgrund der Betreuung eigener Kinder nur eine Erzieher/innenausbildung in teilzeitschulischer Form mit tatsächlich reduziertem wöchentlichen Stundenumfang in Frage kommt. Diese Einschränkung wird von Anrufern nie angeführt.

Beratungsbedarfe von Männern

Männliche Anrufende nutzen das Beratungsangebot zusätzlich zu den oben genannten Themen, um zu erfahren, ob Männer im Berufsfeld generell akzeptiert werden. Daraus leiten sie sicherlich auch ihre Beschäftigungschancen nach Abschluss einer Ausbildung ab.

Quereinstiegsinteressierten Entscheidungsgrundlagen bereitstellen – Bedarf an landesspezifisch aufbereiteten, gebündelten und übersichtlich dargestellten Informationen

Die hier skizzierten Erfahrungen zeigen, dass für die Zielgruppe am Quereinstieg Interessierter gebündelte landesspezifische Informationen sehr hilfreich sein können. Darin sollte eine Übersicht der Ausbildungsmodelle im jeweiligen Bundesland enthalten sein, ebenso Erläuterungen zu den spezifischen Zulassungsvoraussetzungen und eine Übersicht der unterschiedlichen Finanzierungsmöglichkeiten.

Vor allem zu diesen drei Themengebieten benötigen Quereinstiegsinteressierte umfassende Informationen, um die Entscheidung für einen Quereinstieg in den Beruf der Erzieher/innen treffen zu können.

Finanzierung des Lebensunterhaltes durch Vergütung

Die Ratsuchenden befinden sich häufig in einer Lebensphase, in der Planbarkeit und Klarheit hinsichtlich ihrer finanziellen Situation eine essenzielle Bedeutung einnehmen.
Wer an einer berufsbegleitenden Erzieher/innenausbildung interessiert ist, sollte darauf hingewiesen werden, dass Kita-Träger die Ausbildung teilweise unterschiedlich hoch vergüten. Die Unterschiede sind abhängig vom Bundesland, von der tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeit, verschiedenen „Haustarifen“ und der unterschiedlichen Anrechnung von Praktikant/innen auf den Personalschlüssel. Am Quereinstieg Interessierte sollten wissen, dass es sich lohnen kann, nach einem anderen Träger zu suchen, falls ihnen ein angebotenes Gehalt zu gering erscheint. Wenn Interessierte nicht über die Information verfügen, dass sich Vergütungshöhen unterscheiden können, lassen sie sich im schlechtesten Fall von einem Träger, der ihnen ein zu geringes Ausbildungsgehalt in Aussicht stellt, ganz von ihrem Plan Erzieher/in zu werden, abbringen. „Die Erfahrung aus den Beratungsgesprächen zeigt, dass der Schritt hin zum Versuch, einen Quereinstieg zu wagen, stärker von der Finanzierbarkeit des Lebensunterhaltes beeinflusst wird als beispielsweise von der Dauer einer Ausbildung“, sagt Tim Frauendorf.

Ergänzende Sozialleistungen

Nützlich ist in diesem Zuge zudem die Angabe einer ungefähren Spannweite möglicher Vergütungen innerhalb eines Bundeslandes. Auch Hinweise auf die mögliche Inanspruchnahme von BAföG und ergänzenden Sozialleistungen wie Wohngeld bzw. Mietzuschuss und Kinderzuschlag sollten besser kommuniziert werden. Es ist wünschenswert, dass Finanzierungsmöglichkeiten dort Erwähnung finden, wo Zulassungsbedingungen und Ausbildungsmodelle aufgeführt werden. Dies bringt für die Interessierten einen hohen Mehrwert und wird nicht selten das „Zünglein an der Waage“ sein, sich für den Quereinstieg in den Erzieher/innenberuf zu entscheiden.

Informationen auch landesintern bündeln, aktuell halten und streuen

„Um sich für oder gegen einen Quereinstieg in den Beruf des Erziehers bzw. der Erzieherin entscheiden zu können, brauchen die Interessierten eine solide Entscheidungsgrundlage. Vor allem auch was die finanzielle Situation betrifft. Viele Interessierte tragen Verantwortung für Kinder und müssen zum Familieneinkommen beitragen. Hier eine Übersicht zu bekommen, kann für eine/n Einzelne/n zu einer unüberwindbaren Barriere werden. Wenn landesspezifische Informationen zu Finanzierungsmöglichkeiten dort publiziert werden, wo Informationen zur Erzieher/innenausbildung geboten werden, wäre das ein echter Gewinn“, regt Stephan Höyng an.

Das Informationsportal der Koordinationsstelle „Chance Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“ bietet Interessierten eine gebündelte Übersicht der relevanten Informationen zu jedem Bundesland.

http://www.chance-quereinstieg.de/quereinstiegsmoeglichkeiten/uebersicht/ | Zulassungsvoraussetzungen, Finanzierungsmöglichkeiten und Ansprechpartner/innen in den Bundesländern.

www.chance-quereinstieg.de/nc/quereinstiegsmoeglichkeiten/woher-kommen-die-quereinstiegsinteressierten/ | Interaktive Karte: Woher kommen die Quereinstiegsinteressierten? Aufgeschlüsselt nach Bundesländern und Städten.

www.chance-quereinstieg.de/quereinstiegsmoeglichkeiten/mein-weg-zum-quereinsteig-film/ | Film: Ein Quereinsteiger über seine Erfahrungen mit dem Beratungstelefon der Koordinationsstelle.