03.11.2019

Gestern Quereinsteiger – heute Kita-Leiter

Bernd Mitsch, Leiter der Kita „Abenteuerland“ der Borghardt Stiftung zu Stendal, ist trotz großer Bemühungen immer noch einziger Mann in seiner Einrichtung und stellt sich die Frage, inwieweit sich Kitas mit einem höheren Männeranteil von den anderen unterscheiden.

Foto: privat.

Darf ich mich vorstellen?

Mein ältester Sohn zeigte mir in den zweieinhalb Jahren Elternzeit, die ich mit ihm genoss, dass es nach dem Journalistik-Studium noch etwas Besseres als den geradlinigen Weg gibt – nämlich mich auch beruflich um Kinder zu kümmern. Als Quereinsteiger lernte ich neben der Fachschule in einem Familienzentrum und spezialisierte mich bald auf die Themen Jungen- und Väterarbeit. Seit sieben Jahren leite ich die Kita „Abenteuerland“ der Borghardt Stiftung zu Stendal und bin mit meinem Team, den Kindern und meinem Gestaltungsspielraum sehr glücklich.

An welches Erlebnis mit der Koordinationsstelle „Chance Quereinstieg / Männer in Kitas“ denken Sie gerne zurück?

Sehr gern erinnere ich mich an die lebhaften Gespräche bei Fachtagen – abends durch die Städte schlendernd und pädagogische Fragen und Geschlechterverhältnisse diskutierend. Absoluter Höhepunkt war in meinen Augen die Internationale Fachtagung in Berlin im Jahr 2012 mit Impulsen aus vielen Ländern. Daran erinnere ich mich häufig – besonders, wenn ich mein T-Shirt „Men in childcare – Ireland“ anhabe, das ich bei den irischen Teilnehmern eingehandelt habe.

Wir haben in den letzten Jahren im Rahmen zweier Themenfelder in Kontakt gestanden („Männer in Kitas“ und „Lernort Praxis“). Welches dieser Themenfelder beschäftigt Sie aktuell am meisten und wie hat sich dieses Themenfeld in den letzten Jahren entwickelt?

Seit 13 Jahren arbeite ich in der Kita – und schon im ersten Arbeitsjahr durfte ich mit Tim Rohrmann (Wechselspiel) und Rüdiger Hansen (Institut für Partizipation und Bildung) eine „Erzieher-in-der-Kita“-Reflexions- und Weiterbildungs-Woche verbringen. Schnell konnte ich Kontakte zu anderen spannenden Akteuren wie Marc Melcher, Helmut Müller, Martin Verlinden, Tuncay Bairam, Gunther Neubauer, Margitta Kunert-Zier und den jetzigen Mitarbeitenden der Koordinationsstelle knüpfen. Sie halfen mir bei meinen Herausforderungen als Quereinsteiger und Mann in der Kita mit fachlichem Rat und Empathie. Besonders haben mich die Bundesfachtagungen geprägt, bei denen wir gemeinsam fachsimpeln, das Themenfeld weiterentwickeln aber auch ebenso intensiv persönliche Dinge besprechen konnten. Ich nahm auch an einigen regionalen Arbeitskreisen teil. Durch die starke Sogwirkung des Themas arbeitete ich mich immer mehr in die Felder Jungen- und Väterarbeit bzw. Männer in Kitas ein und wurde bald in unserem Bundesland Sachsen-Anhalt zum Multiplikator und Ansprechpartner.

Als Kita „Abenteuerland“ konnten wir am Bundesmodellprogramm „Lernort Praxis“ – auch hier mit dem Schwerpunkt Männer, MigrantInnen und QuereinsteigerInnen – teilnehmen und weiterlernen und gestalten. Im Team erarbeiteten wir ein Schutzkonzept für die Kita, das mit seinen Bereichen „Partizipation“, „Beschwerdemanagement“, „Kinderschutz“ und „(Sexual)-Pädagogisches Konzept“ viele relevante Themen aufgreift und entwickelt.

Diese Schwerpunkte konnte ich bearbeiten, weil Menschen an mich glaubten, mir vertrauten und mich förderten. Zu diesen Personen zähle ich auch Tim Rohrmann und Jens Krabel von der Koordinationsstelle, die ich bei vielfältigen Gelegenheiten traf und die mir immer mit Rat und Hilfe zur Seite standen.

Inhaltlich inspirierte mich in den vergangenen Jahren die Tandemstudie aus Dresden am meisten. Sie zeigte auf, wie marginal die Unterschiede zwischen dem Erziehungshandeln von männlichen und weiblichen Fachkräften sind. Und wie groß doch die Differenzen, bspw. bei den erstellten Objekten/Subjekten der Kinder.

Ich danke dem Team der Koordinationsstelle dafür, dass sie immer ansprechbar waren und ihr Netzwerk offen gestalteten.

Was braucht es künftig für dieses Themenfeld?

Mir stellt sich immer noch die Frage, inwieweit sich Kitas mit einem höheren Männeranteil von den anderen unterscheiden. Leider bin ich in unserer Kita auch weiterhin der einzige Pädagoge. Trotz dessen, dass ich mich bemühe, finde ich keinen männlichen Kollegen, der uns überzeugt oder der im Bereich Kita in der Altmark bleiben möchte.

Ich finde immer noch, dass es für diese Fragen auch unabhängige AnsprechpartnerInnen benötigt. Wer diese Lücke jetzt füllen soll, da es die Koordinationsstelle nicht mehr geben wird, weiß ich nicht. Und das macht mich sehr traurig.